Donnerstag, 28. Mai 2015

Gedankliche Zuordnung und mittelbare Stellvertretung schließen sich nicht aus! BAG, Urteil vom 11.02.2015 - Aktenzeichen 7 AZR 113/13



Vorsicht, die Überschrift könnte Verwirrung stiften. Sie ist nur verständlich und überhaupt auch nur interessant, wenn die Rechtswirksamkeit eines sachgrundbefristeten Arbeitsvertrages infrage steht oder wenn irgendwer Interesse an den Grundzügen der Sachgrundbefristung in Vertretungsfällen haben sollte.

Wird ein Arbeitnehmer befristet zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers eingestellt, muss der Arbeitgeber in dem Fall, in dem der Arbeitnehmer eine Befristungskontrollklage erhebt, umfangreich darlegen, dass die Einstellung tatsächlich zur Vertretung eines Arbeitnehmers erfolgte. Dabei stellen sich komplizierte Rechtsfragen, da Art und Einsatz des Arbeitnehmers für den vertretenen Arbeitnehmer in vielen Konstellationen denkbar ist.

- Der einfachste Fall ist natürlich die unmittelbare Stellvertretung, in welcher der befristet eingestellte Arbeitnehmer tatsächlich die Aufgaben des vertretenen Arbeitnehmers für den Zeitraum seiner Abwesenheit übernimmt.

- Komplizierter wird es, wenn der befristet eingestellte Arbeitnehmer völlig andere Aufgaben übernimmt, als sie der vertretene Arbeitnehmer bisher ausübte. Der Vertretungszusammenhang, also der Zusammenhang zwischen der Befristung und der tatsächlichen Vertretung, ist in diesen Fällen dann gegeben, wenn

a) der Arbeitgeber die Aufgaben umverteilt, so dass die Aufgaben des vertretenen Arbeitnehmers durch andere Arbeitnehmer im Betrieb durchgeführt werden und der befristet eingestellte Arbeitnehmer andere Aufgaben ausführt, die durch diese Umverteilung „frei" geworden sind (mittelbare Stellvertretung)


oder

b) der Arbeitnehmer solche Aufgaben ausführt, die der Arbeitgeber dem vertretenen Arbeitnehmer kraft seines Direktionsrechts hätte zuweisen können, unabhängig davon, ob eine solche Zuweisung in der Vergangenheit bereits einmal erfolgte (sogenannte gedankliche Zuordnung).


Diese Unterteilung ist von den Arbeitsgerichten seit Jahren anerkannt. Neu ist allerdings eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hierzu, die klarstellt, dass einer solchen gedankliche Zuordnung nicht entgegensteht, dass der Arbeitgeber die Arbeit zugleich umorganisiert bzw. die Aufgaben umverteilt hat (BAG, Urteil v. 11.02.2015, Az.:  7 AZR 113/13). Das klingt im Ergebnis ein wenig merkwürdig, weil sich die Frage „warum eigentlich nicht" geradezu aufdrängt. Klar ist nur, dass die Vorinstanz, das LAG Düsseldorf, dies noch anders entschieden hatte.


Zulässig ist eine solche gedankliche Zuordnung der Tätigkeit des befristet eingestellten Arbeitnehmers zur Tätigkeit des vertretenen Arbeitnehmers allerdings nur, wenn der Arbeitgeber diese gedankliche Zuordnung bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem befristeten Arbeitnehmern nach außen hin deutlich macht. Dies sollte durch eine klare Angabe im Arbeitsvertrag erfolgen. Ist dies der Fall, betont das BAG, dass auf den bisherigen Aufgabenbereich des vertretenen Arbeitnehmers nicht ankommt. Entscheidend ist allein die gedankliche Zuordnung des Vertretungsverhältnisses zum vertretenen Arbeitnehmer, die sich auch einer Umverteilung der Aufgaben daraus ergeben kann, dass die gleiche Tätigkeit auch durch Weisung des Arbeitgebers durch den vertretenen Arbeitnehmer hätte ausgeübt werden können oder müssen.




Dies war im entschiedenen Fall deswegen wichtig, weil der Arbeitgeber sich darauf berufen hatte, dass die befristete Vertretung in Form einer mittelbaren Stellvertretung stattfand, wonach andere Arbeitnehmer die Aufgaben des vertretenen übernommen hatten und die befristet eingestellte Klägerin deren Aufgaben, was das LAG Düsseldorf flugs veranlasste, der Befristungsklage stattzugeben, weil die mittelbare Stellvertretung, auf die der Arbeitgeber sich (unter anderem) berufen hat nicht nachgewiesen war, und die beabsichtigte mittelbare Stellvertretung einer gedanklichen Zuordnung des Vertretungsverhältnisses zum Vertretenen bei Ausübung vollkommen anderer Tätigkeiten, als sie der Vertretene zuvor ausübte, entgegenstand. Das BAG hat dies anders gesehen, siehe oben, und die Sache ans LAG zurückverwiesen, weil das BAG nicht entscheiden konnte, ob die andere, ausgeübte Tätigkeit dem vertretenen Arbeitnehmer für den Fall, dass er fortbeschäftigt gewesen wäre, rechtlich und fachlich auf dem Arbeitsplatz, auf dem der befristet eingestellte Arbeitnehmer in Vertretung arbeitete, hätte zugewiesen werden dürfen.



Nebenher weist das BAG dann auch noch darauf hin, dass eine solche Befristung dann rechtsmissbräuchlich ist, wenn zugleich im Wege der Umorganisation ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis besteht, mit welchem, z.B. im Wege der mittelbaren Stellvertretung, der vertretene Arbeitnehmer vertreten werden soll. Die gedankliche Zuordnung zur Person des Vertretenen als Befristungsgrund für den befristet eingestellten Arbeitnehmer schließt eine weitere Befristungsabrede mit einem anderen Arbeitnehmer hierzu aus. Aus meiner Sicht ist die Entscheidung gerade wegen dieser Feststellung besonders interessant. Bestehen mehrere befristete Arbeitsverhältnisse, wird es dem Arbeitgeber möglicherweise schwer fallen, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auszuräumen, wenn diese sich auf Tätigkeiten des vertretenen Arbeitnehmers beziehen, wenn bereits eine Befristung eines Arbeitsverhältnisses durch eine gedankliche Zuordnung dieses Arbeitnehmers, sei es auch mit völlig anderen Tätigkeiten, existiert.


Andernfalls erleichtert die Entscheidung die Sachgrundbefristung zur Vertretung für den Arbeitgeber, da dieser die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nunmehr auch damit begründen kann, dass die befristet ausgeübte Tätigkeit dem vertretenen Arbeitnehmer hätte zugewiesen werden können, auch, wenn er diese bisher überhaupt nicht ausübte, sondern diese Tätigkeiten von einem anderen (nicht befristet eingestellten) Arbeitnehmer ausgeübt werden.



www.rechtsrat-arbeitsrecht.de www.arbeitsrecht-fachanwalt-leverkusen.de Christoph Strieder, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Leverkusen und Solingen, www.anwalt-strieder.de

 

 

1 Kommentar:

  1. Hmmm, interessant, aber sehr speziell, gibt aber Möglichkeiten für Arbeitgeber

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